Autoritäre und demokratische Gestaltungsweisen
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Die Bezeichnungen autoritäre und demokratische
Gestaltungsweisen für das Malen mit Kindern führe ich in die Diskussion ein,
um deutlich zu machen, dass Gestaltungsprozesse keine von der Gesellschaft
unabhängige ästhetische Verfahren sind.
Wie im ersten Teil der Ausführungen schon angedeutet,
gibt es zwei Gestaltungsweisen, die sich im Kern fundamental unterscheiden.
Die eine ist die Annahme der festen Form als stabile
Erscheinung in der Welt, die andere ist der unberechenbare Prozess in Aktion
und Reaktion, der auch in unsrem Erleben innerer Vorgänge sich vollzieht.
Autoritäre Gestaltungsweisen benutzen das schon
Vorhandene oder Vorgeschriebene oder als Wahrheit formulierte als eine"
nicht-in-Frage-zu stellende - Gegebenheit", die es zu akzeptieren gilt.
Vor- und Nachmachen, Wiederholen und Reproduzieren,
Linientreue und Vorbild, Geschlossenheit, in der Spur bleiben, folgsam sein,
in Schritt und Tritt, nicht aus der Reihe tanzen usw. sind Kriterien, die
Sicherheit und Stabilität versprechen .
Verfahren, um dies zu gewährleisten, sind Strafen in
allen Variationen bis hin zum Tod, Benotungen, Preise und Ehrungen,
gesellschaftliche Anerkennung, Auszeichnungen usw. und dies immer von "Oben"
herab.
Die Inhalte autoritärer Verhaltensweisen können gelehrt
und gelernt werden, sie können abgerufen und reproduziert werden. Bei
erfolgreicher Wiederholung wird gelobt, bei "Fehlern" erfolgt Bestrafung im
sogenannten "psychischen " wie auch im" körperlichen Bereich".
Der Stärkere gibt vor - mit Schmeicheleien, Verführung
oder Bedrohung - der Schwächere hat dem zu folgen. Variationen sind erlaubt
im Rahmen des Vorgegebenen, aber keine grundsätzliche Infragestellung oder
Abweichung.
Demokratische Gestaltungsweisen unterscheiden sich von
autoritären grundlegend, da es kein Vor- und Nachmachen gibt.
Ein Thema wird aufgegriffen und formuliert, der
Adressat nimmt es auf und gibt nach seinen Strukturen eine entsprechende
Antwort. Nach diesem Verfahren können niemals zwei identische Lösungen
entstehen und damit ist eine Normierung und Kontrolle von einem Stärkeren
nicht möglich.
Dieser Vorgang der Unkontrollierbarkeit muss in
autoritären Systemen vermieden werden. Er entzieht diesen Systemen die
Basis.
Kommunikation ist eine zentrale Grundlage menschlichen
Zusammenlebens. Kommunikation wird dort notwendig, wo unterschiedliche
Auffassungen, Bewertungen und Ziele vorliegen.
Bei gleichbleibend stabilen Fakten und formalen
Festlegungen ist eine Kommunikation inhaltlich nicht notwendig.
Es gibt in der Erziehung - als Hilfe für das Kind in
die Lebenswirklichkeit - Sachgebiete, in denen das Vor-und Nachmachen
zeitweise sinnvoll und notwendig ist.
Es gibt Regeln im Zusammenleben von Menschen, die für
das Überleben des Einzelnen notwendig sind z. B. Verkehrsregeln und
Hinweisschilder.
Es gibt physikalische Gegebenheiten z. B. die
Schwerkraft oder das Feuer, die der Einzelne nicht außer Kraft setzen kann.
Es gibt aber im Leben des Menschen auch Gebiete, in
denen eine Fixierung oder eine Normierung gegen das Leben in seinen
vielfältigen Strukturen lebensfeindlich sein kann.
Was in der Naturwissenschaft verboten sein kann -
persönliche Vorlieben oder emotionale Bewertungen - sollte in der Kultur
oberstes Gebot sein.
Beide Bereiche, der sog. physikalische Bereich und der
sog. emotionale Bereich sind für das menschliche Leben notwendig. Ihre
unterschiedlichen Strukturen und Eigenheiten sind jedoch nicht eins zu eins
übertragbar.
Physikalische Prozesse sind in der Regel wiederholbar
und ihre Auswirkungen können beobachtet und beschrieben werden.
Emotionale Prozesse, die sich in jedem Menschen
ereignen, basieren auf nicht wiederholbaren Ereignissen, die in ihrer Natur
unterschiedlich sind und sich nur im jeweiligen Augenblick vollziehen.
Jede Sekunde in der Lebensvergangenheit ist nicht
identisch reproduzierbar und jede Sekunde in der Zukunft kann nicht
vorgelebt werden.
Diese Tatsächlichkeiten sollten in die Erziehung von
Kindern einfließen.