Arbeitsgeräte und Techniken

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Für Elternhaus und Schule gelten die gleichen Kriterien - nur zeitversetzt - die im physikalischen oder emotionalen Bereich Gestaltungen ermöglichen.

Dort, wo Konstanten vorherrschen, kann man entsprechende statische Arbeitsgeräte und Techniken einsetzen.

Dort, wo unberechenbare und nicht wiederholbare Prozesse sich ereignen, müssen entsprechende Materialien, Arbeitsgeräte und Techniken den Kindern zur Verfügung stehen.

Arbeitsgeräte, die stabile, berechenbare Konstruktionen erlauben, sind da Lineal, der Winkel oder der Zirkel und die Schablone. Mit ihrer Hilfe kann man Linien ziehen, die das angestrebte Ziel ohne Einfluss des Gestalters erreichbar machen und Abweichungen erschweren.

Die Linie kann auch zum Umkreisen einer geschlossenen Form eingesetzt werden. Die umschriebene Form kann eine abstrakte sein, sie kann aber auch eine Form widerspiegeln, die Ähnlichkeit  mit sog. Naturformen hat.

Linien können aber auch zu Liniengespinsten durch ihre Überschneidungen eingesetzt werden, wie wir sie bei den Kritzeleien der Kinder sehen können.

Die gerade Linie steuert in ihrem Verlauf von einem Ausgangspunkt zu einem Ziel. Wird eine Linie gebogen, so hat dies seine Ursache in einer Aktion, die nicht von der Linie selbst ausgelöst wurde. Sie reagiert auf ein zweites, das nicht von ihr selbst stammt.

Überträgt man diese Charakteristika der Linie auf eine Beschreibung der unberechenbaren Welt mit ihren Aktionen und Reaktionen, so kann man aussagen, dass die Linie für die Beschreibung  der Welt nur eingeschränkt tauglich ist.

Gibt man Kindern als Arbeitsgerät Stifte in die Hand, so gestalten sie ohne die Auswirkungen ihrer Aktion auf das Umfeld beobachten zu können, denn die Linie kennt das Daneben nicht. Dabei ist es fundamental, dass jede Aktion eine Auswirkung auf das betroffene Umfeld ausübt. Die Kinder gestalten so einseitig und nicht vielfältig.

Im weiteren Lebensverlauf ist dies eine Grundlage für ein Verhalten, das als " asozial" bezeichnet werden kann. Für ein späteres soziales Verhalten ist unbedingt notwendig, dass dem Kind Arbeitsgeräte und Materialien angeboten werden, mit denen man Auswirkungen und Veränderungen erkennen kann. Dies gilt im gestalterischen Bereich wie auch bei den sog. Spielsachen.

Um Prozesse und Abläufe mit ihren Auswirkungen sichtbar werden zu lassen, sind Wasserfarben und eine die Farben aufsaugender Untergrund geeignet. Viele Eltern vermeiden dies, da die Sauberkeit in der Wohnung vorrangig ist.  Durch diese "Sauberkeit" wird ein weiterer  Grundstein gelegt für ein einseitiges Verhalten, da das Kind Auswirkungen seines Gestaltens nicht beobachten kann.

Und Kinder beobachten ständig, sie lernen durch beobachten, sie orientieren sich an dem Beobachteten und werden somit auch geprägt für ihren Lebensweg.

Mit einer flüssigen Farbe lassen sich feste, stabile Linien nur schwer herstellen. Dieses scheinbare Manko ist aber das Positive bei der Gestaltung von Prozessen, wie sie in der Welt stattfinden.

Jeder Pinselstrich ist eine Aktion und bewirkt auf dem Papier eine sichtbare Veränderung. Die vorher reine Fläche wird durch den Pinselstrich in eine Aktionsfläche verwandelt, die immer komplizierter wird, je mehr Pinselstriche dazukommen.

Der Pinselstrich kann kurz oder lang sein, dünn oder dick, heftig oder zart, verschwommen oder fest, kurvig oder gerade. Je nach seiner Aktion muss der zweite Pinselstrich darauf reagieren. Er kann nicht so tun, als wäre nichts vorgefallen.

Dieses Agieren und Reagieren kann beobachtet, aufgenommen und weitergeführt werden in einen Handlungsablauf. Das Kind gestaltet Handlungen - keine feste und stabile Formen.

Die Erfindung der Fotografie war in der kulturorientierten Gestaltung ein Meilenstein, denn hiermit war das Nachbilden der physikalischen Naturerscheinung mit zeichnerischen oder malerischen Mitteln (als Kommunikationsinstrument) nicht mehr  notwendig.

Ein weiterer großer Schritt in Richtung Handlung war die Weiterentwicklung von der statischen Fotografie hin zum dynamischen Film und heutigen Fernsehen.

Diese Gestaltungsschritte eröffneten ganz neue Sichtweisen auf das, was wir als Kultur bezeichnen. Das Zusammensehen von Musik, Tanz, Literatur und vieles mehr erlauben nun Zusammenhänge zu erkennen, die vorher schwer möglich waren.

Zu diesen Ereignissen kamen noch, durch neue technische Geräte in den Naturwissenschaften, Einblicke und Erkenntnisse, die die scheinbare stabile Ordnung der festen Körper grundlegend veränderten.

Aus dem bisher Angeführten kann - wenn dies stimmen sollte- eine andere Sicht auf das Gestalten von Kindern (und auch Erwachsenen) vorgenommen werden. Dem statische Nebeneinander von unbeweglichen Formen kann ein dynamisches Handlungsgeschehen entgegengestellt werden, wie es vorher in der Kultur schwer möglich war.

Die Kluft zwischen der Weltrealität, wie wir sie mit unseren beschränkten Mitteln heute erfassen können und ihrer Möglichkeit, sie darzustellen, ist enger geworden.

Wir haben genügend Bildmaterial, um dies überprüfen zu können.